Dezember 2019 & Januar 2020
Liebe Freunde von WORT & TON,
das Jahr nähert sich seinem Ende, und das ist auch gut so. Wir jedenfalls können langsam wirklich nicht mehr. Da ist zum einen der seit 30 Jahren kontinuierlich fortgesetzte rechtsextreme Marsch durch die Institutionen, der in den letzten Monaten wieder bizarre Deutschherbstblüten wachsen ließ. Nehmen wir zum Beispiel Andreas Höfer, Richter am Gießener Verwaltungsgericht, der nicht nur befand, dass der NPD-Slogan „Stoppt die Invasion: Migration tötet!“ nicht volksverhetzend sei, sondern der sich gleich noch öffentlich mit der zugrundeliegenden Geisteshaltung solidarisierte. Eine solche Ungeheuerlichkeit war das, dass sich sogar mehrere Kommentatoren der FAZ entsetzt zeigten – jener Zeitung also, die ansonsten gern auch mal Alexander Gauland zu ihrem Geburtstag einlädt. Aber vielleicht erfolgte die Einladung auch aus reinem christlichen Mitleid, hat doch Gauland gerade im Magazin Focus ein großes Mimimi darüber angestimmt, dass Teile seiner Familie nicht mal mehr an Weihnachten etwas mit ihm zu tun haben wollen.
Oder nehmen wir jene namentlich nicht in Erscheinung getretenen Aktenwühlmäuse, die in einem lichtarmen Kabuff einer Berliner Finanzbehörde zu der Entscheidung gelangten, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) die Gemeinnützigkeit zu entziehen, angeblich weil der Bayerische Verfassungsschutz die in diesem Verein organisierten letzten Holocaust-Überlebenden und Angehörigen der seinerzeit ermordeten Nazigegner wegen des Verdachts auf böse linksextreme Umtriebe beobachten lässt. Was er allerdings schon seit Jahren tut, weil … nun ja, Bayern eben. Der wahre Grund für die Entscheidung muss man mithin wohl eher in den Köpfen der Entscheider suchen. Und natürlich bei ihrem Dienstherrn, dem Finanzminister Olaf Scholz (SPD), der sich zu dieser Angelegenheit wie äußerte? Gar nicht, eben.
Immerhin: Scholzens zu solchen Dingen in der Regel ebenfalls meinungslose Kleinpartei hat uns zuletzt dann doch überrascht, indem sie diese Sekundärtugend in Menschengestalt nebst weiblichem Sidekick erstaunlicherweise nicht zu ihren neuen Vorsitzenden ernannte, sondern … zwei andere halt. Der „Linksruck“ allerdings, den so mancher aus der stetig weiter nach rechts ruckenden Journalistenschar darin zu erkennen glaubte, scheint sich vorerst in der Forderung nach ein paar Nachbesserungen bei den Themen Klima, Mindestlohn und Grundrente zu erschöpfen. Ganz weihnachtsbesinnlich möchte man den Damen und Herren daher zurufen: Go ahead, be crucified!
Zum anderen (ja es gab schon ein „zum einen“ weiter oben, ist allerdings ein paar Sätze her) können wir auch deshalb langsam nicht mehr, weil dieses Jahr uns arbeitstechnisch ganz schön ausgelaugt hat. Vor allem gilt das für Manja Präkels, die beinahe noch vor Weihnachten die 200 Lesungen mit den „Schnapskirschen“ vollgemacht hätte und trotzdem noch den einen oder anderen Essay zwischendrin verfasste. So erinnerte sie sich etwa – am ausgetrockneten Aralsee stehend – kürzlich für die WOZ an den Untergang der DDR – illustriert mit Markus Liskes Reisefotos. Als gemeinsame Autorenarbeit von Präkels und Liske entstand zudem anlässlich des Mauerfalljubiläums der ost-/west-perspektivische Essay „Wimmelbild mit Mauerresten“ für die Spex. Und auch mehrere bezaubernde Mühsam-Geisterbeschwörungen mit DER SINGENDE TRESEN fanden irgendwie noch Platz im Tourwahnsinn. Jetzt stehen nur noch wenige Termine an, dann beginnt endlich wieder die schöne Schreibzeit in unserer kleinen Gedankenmanufaktur. Und damit die wirklich ungestört verlaufen kann, gab es als vorgezogenes Weihnachtsgeschenk – täärräääää! – für Manja noch das Arbeitsstipendium des Berliner Senats für 2020. Seid also nicht verwundert, wenn Ihr keinen Januar-Newsletter erhaltet, sondern wisst uns neue Bücher schreibend … Einen wichtigen Januartermin wollen wir allerdings nicht unterschlagen, auch wenn wir da nicht auf der Bühne, sondern im Publikum sitzen. Das ist die erste Theateradaption der „Schnapskirschen“, und zu sehen ist sie am Theater Junge Generation in Dresden. Die Premiere ist zwar schon ausverkauft, aber für die folgenden Vorstellungen gibt es noch Karten.
Wer uns vor unserer Bühnenpause noch mal live sehen möchte, der schaue hier:
Termine
Do. 05. Dezember, 20 Uhr
Manja Präkels liest: „Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß“
Greifswald
Fr. 06. Dezember, 19 Uhr
Manja Präkels: „Kirschen mit Musik“
begleitet von Thorsten Müller (Klarinette) und Benjamin Hiesinger (Kontrabass)
Berlin-Oberschöneweide
Mo. 09. – Mi. 11. Dezember
Manja Präkels liest: „Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß“
Schülerlesungstour in Sachsen / geschlossene Veranstaltungen
Pirna, Dippoldiswalde, Chemnitz
Di. 10. Dezember, 20 Uhr
Ein Verbrecher-Leseabend für Giwi Margwelaschwili
mit: Markus Liske, Dilek Güngör, Anke Stelling und Philipp Böhm
Berlin-Kreuzberg
Do. 19. Dezember, 18 Uhr
Manja Präkels liest: „Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß“
Köln
Sa. 25. bis So. 30. Januar
Theaterstück „Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß“
Dresden
Euch, liebe Freunde, wünschen wir einen erholsamen Jahresabschluss. Wir melden uns im Februar wieder bei euch. Und falls Ihr uns ein Weihnachtsgeschenk machen wollt, dann … werdet Mitglieder im VVN-BdA!
Eure Endspurtschnecken in der
Gedankenmanufaktur WORT & TON