WORT & TON im Okt./Nov. 2024

Liebe Freunde von WORT & TON,

grau in grau ist es vor dem Fenster, aber das ist okay. Es passt ganz gut zu unserer Stimmung. Uns ist in letzter Zeit nämlich ein bisschen der Humor abhandengekommen. Dafür gibt es gleich mehrere Gründe: Bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg hat rund ein Drittel der Wählerinnen und Wähler für eine mal als „gesichert rechtsextrem“, mal als „rechtsextremer Verdachtsfall“ geführte Partei votiert. Im Bundestag stellen Regierung und Opposition das Asylrecht in Frage, reden pausenlos nur noch über Grenzschließung und Abschiebung, und Friedrich Merz ist jetzt Kanzlerkandidat. Schlimm? Ja. Aber was uns am meisten bedrückt ist dies:

Genau ein Jahr ist es nun her, dass islamistische Hamas-Killer aus Gaza auf israelisches Staatsgebiet vordrangen, um in grenznahen Kibbuzim sowie auf dem Gelände eines Musikfestivals 1.132 Menschen bestialisch zu ermorden, darunter auch 36 Minderjährige. Viele der Opfer wurden zudem vergewaltigt, gefoltert und verstümmelt. Rund 250 weitere Menschen entführte man nach Gaza, stellte ihre misshandelten und missbrauchten Körper einer lautstark feiernden Menschenmenge zur Schau, aus der heraus sie weiter attackiert und erniedrigt wurden. Das alles ist bestens belegt, nicht zuletzt durch von der Hamas selbst verbreitete Videos, die während des Gemetzels mit Body-Cams aufgenommen wurden.

Dennoch wurde das Internet bereits ab dem ersten Tag nach dem Massaker (und somit lange vor dem Einmarsch israelischer Streitkräfte in den Gaza-Streifen) mit Kommentaren geflutet, in denen immer nur von „den armen Menschen in Gaza“ die Rede war. Die Gräueltaten der Hamas hingegen wurden relativiert oder sogar angezweifelt, auch von Prominenten wie etwa Gender-Päpstin Judith Butler. In Europa und den USA sehen sich Juden seither mit massiven Angriffen und gesellschaftlicher Ausgrenzung konfrontiert – keineswegs nur von Muslimen und Nazis, sondern insbesondere von „linken“ Antisemiten aus dem akademischen Spektrum. Auch Veranstaltungsorte, Clubs und Kneipen, die sich israelsolidarisch positionieren, werden bedroht und angegriffen, wie zuletzt etwa das ://about blank in Berlin-Friedrichshain oder das Bajszel in Berlin-Neukölln.

Ja, da kann einem schon mal der Humor abhandenkommen. Doch auch, wenn es aktuell wenig hoffnungsvoll erscheinen mag, wir arbeiten weiter. Manja Präkels zum Beispiel hat monatelang für das Projekt „Überlandschreiberinnen“ die Vorwahlstimmung in brandenburgischen Provinzen sondiert. Zuletzt schrieb sie in diesem Kontext für die Taz über den Landkreis Teltow-Fläming („Ruinen als Vergessmaschinen“) und für Der Freitag über die Rückkehr der Baseballschlägerjahre („Hallo Schwester Niedertracht“). Daneben rast Präkels seit Monaten von Bühne zu Bühne, ob als Lesende, Rednerin oder Diskutantin, wie etwa im Rahmen der PEN Berlin-Reihe „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“). Aber auch ein künstlerischer Text über das Frankfurter Bahnhofsviertel ist zuletzt mal wieder entstanden, den man zwar noch nirgendwo lesen, aber hier anhören kann: „Suchbild ohne Lutz“.

Markus Liske analysierte derweil für die Jungle World Sahra Wagenknechts neue Partei BSW („Abschied vom Westen“) und die letzten Wahlergebnisse („Demokratische Notlage“). Außerdem kommentierte er die Kanzlerkandidatur von Friedrich Merz („Die schlechtesten Hits aus alten Tagen“) und den Zustand der nach Wählerprozenten fast nicht mehr existenten Linkspartei (erscheint diese Woche in der Jungle World). Wer hingegen lieber von ihm wissen möchte, wie es „Im Gehirn von Judith Butler“ aussieht, dem empfehlen wir die gerade im Satyr Verlag erschienene Anthologie „Sind Antisemitisten anwesend?“ – da ist das ganze identitätspolitische Elend nachzulesen.

Auch DER SINGENDE TRESEN lässt sich nicht lumpen: Zum traurigen Jahrestag gibt es heute (ja, heute!) einen Kurzauftritt bei der Kundgebung „Für das Leben, gegen den Tod“ des Bündnisses „Feminism unlimited“ auf dem Kreuzberger Mariannenplatz. Und das traditionelle „Letzte Runde“-Konzert findet in diesem Jahr im zuletzt sogar mit einem Brandanschlag attackierten Bajszel statt.

Hier die anstehenden …

TERMINE

Mo. 07.10. – 18 Uhr

DER SINGENDE TRESEN bei „Für das Leben, gegen den Tod“

Kundgebung des Bündnisses „Feminism unlimited“

Mariannenplatz (vor dem Bethanien)

Berlin-Kreuzberg

 

Di. 15.10. – 19:30

„Gute Enden, schlechte Enden“

Manja Präkels im Gespräch mit Max Czolleck über seinen neuen Gedichtband

Rechenzentrum

Dortustraße 46

Potsdam

 

Sa. 19.10. – Uhrzeit: N.N.

Lesung/Gespräch mit Manja Präkels beim Moby Dick Festival

Teatro Concordia Venaria Reale

Corso Puccini

10078 Venaria Reale TO

Italien

 

Sa. 16.11. – 16 Uhr

Sounds like a melody?! Stimmen zum Kanon der Kunst

Mit: Manja Präkels, Ayon Mukherji, Frank Diersch, Thomas Müller (Radio Industry) u.a.

Rathaushalle

Marktplatz 1

Frankfurt/Oder

 

Mo. 18.11. – 19 Uhr

Manja Präkels: Essays einer „Überlandschreiberin“ (Lesung & Gespräch)

Saal im Haus der Bildung

Mülheimer Platz 1

Bonn

 

Sa. 23.11. – 19:30

DER SINGENDE TRESEN: Letzte Runde 2024

Bajszel

Emser Str. 8-9

Berlin-Neukölln

So, für heute muss das reichen. Nur eine Bitte noch: Wenn es in eurer Gegend Gedenkveranstaltungen zum heutigen schrecklichen Jahrestag gibt, dann geht hin! Und wenn es nur Veranstaltungen derer gibt, die Massenmörder als Freiheitskämpfer feiern, geht ebenfalls hin und stört nach Kräften! Es darf nicht sein, dass „linke“ und rechte Antisemiten diesen Tag für ihre menschenfeindlichen Ideologien instrumentalisieren!

Eure Menschenfreunde in der

Gedankenmanufaktur WORT & TON