WORT & TON im Juni/Juli 2025

Liebe Freunde von WORT & TON,

da kurzfristig noch Termine für die letzten Maitage dazugekommen sind, erhaltet ihr unseren Newsletter diesmal etwas früher als gewöhnlich, denn: besser zu früh als zu spät. Das gilt bekanntlich nicht nur für Newsletter.

Wichtig ist dieser Leitsatz beispielsweise auch für das Erreichen eines Anschlusszuges bei der Deutschen Bahn oder für den Umgang mit rechtsextremen Parteien. Wobei Züge zwar garantiert nie zu genau dem Zeitpunkt eintreffen, der auf dem Fahrplan genannt wird, es diesen aber zumindest in der Theorie gibt. Bezüglich eines Verbotsverfahrens gegen die AfD ist hingegen nicht mal das der Fall, da gibt es immer nur „zu früh“ oder „zu spät“. Entweder ist die Partei einfach noch zu klein, um verboten zu werden (2013-24), oder sie ist ganz plötzlich einfach zu groß geworden (2025).

Insofern sind die neuesten Verfassungsschutzberichte von Bund und Ländern über diese Partei nicht mal das Papier wert, auf dem sie (mutmaßlich) aus dem Faxgerät der Innenministerien rattern. Ja, wozu überhaupt die Verfassungsfeindlichkeit der AfD feststellen, wenn ihre Vertreter danach trotzdem weiter in Bundes- und Landtagen sitzen dürfen, Bürgermeister oder Landrat werden und in Ausschüssen tagtäglich Politik mitgestalten?

Vielleicht war es ja das, was sich die brandenburgische Innenministerin Katrin Lange (SPD) dachte, als sie den Erhalt der VS-Bewertung der AfD als „gesichert rechtsextrem“ sogleich mit der Entlassung des Chefs der Landesverfassungsschutzbehörde Jörg Müller quittierte. Wahrscheinlicher ist, dass Frau Lange mit vielen dieser rechtsextremen Mitgestalter eigentlich ganz gut klarkommt (in der Migrationspolitik zum Beispiel) und zudem auf den Koalitionspartner BSW Rücksicht nehmen muss, der bekanntlich so was wie die Schnittmenge aus SPD und AfD verkörpert. Immerhin, gut bekommen ist es der Ministerin nicht: Eben noch aussichtsreichste Kandidatin, um Ministerpräsident Dietmar Woidke in seinem Amt zu beerben, ist sie nun auch das eigene Amt los. Doch was da im Sinne „höherer Gerechtigkeit“ begrüßenswert erscheinen mag, hat leider zugleich so viele Schlagzeilen produziert, dass inzwischen niemand mehr über diesen Verfassungsschutzbericht und eventuelle Konsequenzen daraus redet. Sache erledigt.

Um mal eine medizinische Analogie zu bemühen (Achtung, geschmacklos!): Da kommt ein Patient mit schlimmen rechtsseitigen Beschwerden (Brandenburg) ins Krankenhaus und nach längeren Voruntersuchungen diagnostiziert der zuständige Onkologe (Jörg Müller) bereits stark metastasierten Krebs. Daraufhin wird er von seiner Chefärztin (Katrin Lange), die keinen Bock auf eine so schwierige OP ohne allzu gute Heilungschancen hat, sofort gefeuert. Der Fall kommt in die Presse, was wiederum zu ihrer Entlassung durch den Vorstandsvorsitzenden des Krankenhauses (Dietmar Woidke) führt. Die Presse ist zufrieden, und der weiterhin rechtsseitig schlimm verkrebste Patient wird als geheilt entlassen – Restlebenserwartung: eine Legislaturperiode.

Zugegeben, ein etwas schiefes Bild. Zumal man ja Krebs leider nicht einfach verbieten kann, rechtsextreme Parteien aber schon. Theoretisch jedenfalls. Praktisch natürlich nicht, wie die Reaktion (bzw. Nichtreaktion) der neuen Bundesregierung auf die gleichlautende Einstufung der AfD durch den Bundesverfassungsschutz zeigt. Diese allerdings ließ man klugerweise von einer Innenministerin verkünden, die ohnehin schon abgewählt war, weshalb auch niemand schlagzeilenträchtig entlassen werden musste. Und so kann jetzt alles seinen geregelten Gang gehen: Die AfD wird weiterhin – so gut es eben geht – von Posten ferngehalten, die ihr als größte Oppositionspartei eigentlich zustünden, was natürlich ihren Opfermythos weiter befeuert. Ansonsten wird sie „inhaltlich gestellt“, indem man ihre Forderungen zu großen Teilen übernimmt, was wiederum ihre Anhänger in ihren Ansichten nur bestätigt.

Nehmen wir hier beispielhaft nur den neuen Kulturstaatsminister Wolfram Weimer, dessen zwischen Thilo „Deutschland schafft sich ab“ Sarrazin und dem antidemokratischen Philosophen Oswald „Der Untergang des Abendlands“ Spengler oszillierende Positionen sich – wäre er in der AfD – sicher im VS-Bericht wiederfänden. Mehr zu dieser exquisiten Personalie (und warum die CDU so jemanden auf diesen Posten setzt) findet ihr in „Kulturelle Planspiele“, einem Kommentar von Markus Liske für die Jungle World.

Aber zurück nach Brandenburg, wo der Blick auf die Lokalpolitik zeigt, dass ein AfD-Verbot zwar sicher hilfreich, jedoch längst nicht mehr ausreichend wäre, um die Gefahr von rechts zu bannen. Nicht nur, dass rechtsextreme Narrative hier regelmäßig auch aus den Mündern von Politikern anderer Parteien plumpsen, zuweilen übernehmen einfach parteilose Bürgermeister oder solche der Freien Wähler die Aufgabe, mal mehr, mal weniger offensichtlich AfD-Politik zu exekutieren. Ein Beispiel dafür ist das wohl von allgemeiner Schlussstrichlust geprägte Verhältnis der Stadt Fürstenberg (parteiloser Bürgermeister, gleichgroße Fraktionen von AfD und CDU) zu ihrer KZ-Gedenkstätte Ravensbrück, wie man in Liskes Text zum 08. Mai in der Jungle World unter dem Titel „Die Schuld der Schuldlosen“ nachlesen kann.

Ein anderes Beispiel ist die Stadt Rheinsberg, wo der Bürgermeister Frank-Rudi Schwochow (BVB/Freie Wähler) weiterhin alles tut, um das dem Antifaschisten Kurt Tucholsky gewidmete Literaturmuseum in ein bloßes Tourismus-Asset zu verwandeln. Auch der erste Rheinsberger CSD im letzten Jahr war dem Bürgermeister ein allzu bunter Dorn im Auge, weshalb bis zuletzt versucht wurde, diesen dann zum Glück nur umso fröhlicheren und widerständigeren Umzug zu verhindern. Wie genau es im Vorfeld zuging, sowohl was das Tucholsky-Gedenken als auch was den CSD angeht, beschrieb Manja Präkels seinerzeit in ihrem Text „Unsortiert im Hinterland“ in der Taz. Nun – am kommenden Samstag (31.05.) – lädt „das queere Hinterland“ erneut zum Rheinsberger CSD. Wir werden selbstverständlich wieder vor Ort sein und vielleicht hat ja auch die oder der eine oder andere von euch Lust vorbeizukommen, um den verbiesterten Bürgermeister zu ärgern. Wir würden uns freuen!

Nicht nur, aber auch um Brandenburg geht es in Präkels‘ gerade erst erschienenem Essay „Radiorauschen im Sternenpark“. Zu finden ist er im neuen Magazin von Kulturland Brandenburg, das ihr hier kostenlos downloaden könnt. Geschrieben wurden Teile des Textes bereits im letzten Jahr während Präkels‘ Stipendium im schönen Olevano, südlich von Rom, und Frodo, unser Feelgood-Manager in der Gedankenmanufaktur, kommt auch mal wieder drin vor.

Nicht erwähnt im Text wird hingegen Der Singende Tresen. Dafür könnt ihr den entweder noch diese Woche in Miniminimalstbesetzung (Präkels an der Ukulele, Hiesinger am Kontrabass) in Salzwedel erleben oder übernächste Woche in voller Besetzung mit dem Mühsam-Programm „Das seid ihr Hunde wert!“ in Oldenburg. Womit wir auch schon bei den kommenden Terminen wären – deren erster bereits heute ansteht!

 

TERMINE

Mi. 28.05. – 19:30 Uhr

Gegen den Wind atmen.

Manja Präkels liest frische Texte (und singt zur Ukulele)

Bar SOFIA

Wrangelstraße 93

10997 Berlin

 

Do. 29.05. – 19:00

Gegen den Wind atmen

Manja Präkels liest frische Texte (und wird dabei vom Bandkollegen Bejamin Hiesinger am Kontrabass begleitet)

Café Kuckuck

Landstraße 49

29410 Salzwedel / OT Hoyersburg

 

Fr. 06.06. – 20:30

Lesefest Gera

Manja Präkels liest „Welt im Widerhall“

Altes Wannenbad in der Häselburg
Florian-Geyer-Str. 17

Gera

 

Fr. 13.06. – 09:30

Internationale Fachtagung „Demokratie entsteht im Untergrund“ 

Erfahrungsberichte über den Einfluss der neuen Rechten mit Manja Präkels & Ina Bielenberg, Geschäftsführerin Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten

Weiße Rose 1

26123 Oldenburg

 

Sa. 14.06. – 13:30

Internationale Fachtagung „Demokratie entsteht im Untergrund“ 

Erich Mühsam-Programm „Das seid ihr Hunde wert!“ mit Markus Liske, Manja Präkels & Der Singende Tresen

Weiße Rose 1

26123 Oldenburg

 

So viel für heute. Gehabt euch wohl. Und verzweifelt nicht daran, dass es für „Wehret den Anfängen!“ inzwischen zu spät ist. Jetzt heißt es eben: „Wehret dem bitteren Ende!“ Das ist zwar eine deutlich schwierigere Aufgabe, aber umso wichtiger ist es, dass wir nicht aufgeben und uns gemeinsam ins Zeug legen.

In diesem Sinne: „¡No pasarán!“

Eure kulturellen Basisarbeiter in der

Gedankenmanufaktur WORT & TON