Liebe Freunde von WORT & TON,
oder wie unsere amerikanischen Freunde sagen würden: Hi Folks! Eigentlich wollten wir an dieser Stelle was zum 80. Jahrestag der Befreiung der Welt vom Nationalsozialismus schreiben, Loblieder singen auf die sowjetische Armee, die dafür den größten Blutzoll leisten musste, und auf „God’s own Country“ als Gamechanger im Kriegsgeschehen und Demokratiebringer zumindest für Westdeutschland. Doch ach, im Osten wie im Westen hat sich die Welt inzwischen verdunkelt. Auf der einen Seite der ganz reale Krieg Russlands gegen die Ukraine, auf der anderen Seite die fortschreitende Umwandlung einer Demokratie in eine Autokratie. Und als wäre das alles nicht schlimm genug, hat nun auch noch JD Vance, Vizepräsident des protofaschistischen Trump-Regimes, den Papst getötet. Und das ausgerechnet an Ostern!
Zur Rechenschaft ziehen kann man ihn dafür allerdings nicht. Denn irres Zeug labern, bis das Gegenüber einen Schlaganfall erleidet, ist leider nicht strafbar. Dabei könnte diese Welt eine bessere sein, wenn es so wäre. Wir kennen dazu zwar keine Statistik, aber die Wahrscheinlichkeit, dass bei Fernsehauftritten von beispielsweise Alice Weidel oder Jens Spahn regelmäßig einzelnen Zuschauern was im Kopf kaputtgeht, erscheint uns ziemlich hoch. Doch das nur nebenbei. Was uns an der verbalen Terrorattacke von Vance gegen den alten Mann im Vatikan wirklich interessiert, ist die gute alte Frage: Warum, um Gottes Willen?
Sicher, olle Franziskus hatte es nicht so mit Israel und erwähnte beispielsweise in seiner „Friedensbotschaft“ am Jahrestag des genozidalen Massakers der Hamas genau dieses Massaker mit keinem Wort, um stattdessen ausschließlich über Bomben auf Gaza zu sprechen. Auch forderte er eine „Völkermord-Untersuchung“ gegen den jüdischen Staat und ließ sich sogar mal mit Palituch betend fotografieren. Wahrscheinlich war er also kein Freund von Trumps Idee, den Gaza-Streifen in ein US-amerikanisches Luxus-Ressort zu verwandeln.
Andererseits plädierte er schon früh dafür, Trumps best Buddy Wladimir Putin große Teile der Ukraine zu schenken, und genau das will man im Weißen Haus ja auch. Ist der Grund für den Mord vielleicht in Franzls wolkigen Statements für die Armen der Welt zu suchen? Möglich. Dass Leute wie JD Vance oder Elon Musk Armut für eine eklige Krankheit halten, die man am besten bekämpft, indem man den von ihr Betroffenen aktive Sterbehilfe leistet, ist ja bekannt. Vielleicht aber steckt auch ein größerer, perfiderer Plan hinter dem Papstmord. Der Presse konnten wir jedenfalls entnehmen, dass es unter den Kardinälen, die sich nun ins Konklave zurückziehen, um einen neuen Papst zu wählen, tatsächlich begeisterte Trumpisten gibt. Könnte es also sein, dass einer von denen künftig die katholische Kirche leiten soll? Arbeit Trump gar schon an seiner Heiligsprechung zu Lebzeiten?
Okay, aus atheistischer Sicht müsste es nicht ausschließlich von Nachteil sein, wenn der neue Papst Elon Musk an seine Seite riefe, um die staubige alte Institution, der er vorsteht, mal gründlich durchzudisruptieren. Aber natürlich hatte Voltaire bei seinem Urschrei der Aufklärung („Écrasez l’infâme!“ – dt: „Zermalmt die Infame!“, nämlich die Kirche) etwas anderes im Sinn, als das, was Musk dann täte. Der nämlich würde nicht nur sofort die Hälfte aller Geistlichen entlassen und zwei Drittel der katholischen Liegenschaften auf dem freien Markt verhökern. Noch am ersten Amtstag ließe er zudem die besseren (nämlich menschenfreundlichen) Passagen der Bibel ersatzlos streichen, den Garten Eden in die USA verlegen und Satan in Obama umbenennen. Das vierte Gebot („Feiertag heiligen“) entfiele ersatzlos und bei den Geboten 5 bis 10 würde jeweils das „nicht“ entfernt. Im Kölner Dom müssten unbezahlte Messdiener künftig Teslas zusammenlöten, im Petersdom würde ein AI-Rechenzentrum eingerichtet und jede größere Klosteranlage bekäme ein Golf-Ressort-Update.
Um nun aber zu JD Vance zurückzukommen: Es ist doch wirklich erstaunlich, was dieser Mann nur mit seinen Wortdurchfällen aus groteskem rechtslibertärem Mansplaining erreicht! Man denke an dieser Stelle etwa an seine Rede bei der Münchner Sicherheitskonferenz, an seine Forderung rechtsextreme oder putinistische Fake-News-Propaganda und jede Form von rassistischer oder antifeministischer Hassrede gefälligst als freie Meinungsäußerung zu akzeptieren, während gleichzeitig die Trump-Administration drüben in den USA schon an ihrer Liste verbotener Wörter wie Feminismus, Diversität, Antirassismus etc. pp. arbeitete.
Nicht nur Alice Weidel, die Vance mit einem gesonderten Treffen adelte, auch hochrangige Vertreter der CDU bekamen bei dieser Rede anscheinend so feuchte Schlüpfer, dass sie aus diesen sofort hervorschwollen und höchst viril zur Tat schritten: Der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz etwa drohte gleich mal Vereinen, die sich an Demos gegen ihn beteiligen, mit dem Entzug der Gemeinnützigkeit. Jens Spahn brachte sich als Brückenbauer zur AfD in Stellung. Und Carsten Linnemann, der sich in Sachen potentiell tödlichen Herumlaberns mit Vance auf Augenhöhe befindet, lehnte sogar ein Ministeramt in Merzens für ihn noch viel zu woken schwarz-roten Regierung ab – mutmaßlich, um seine Karrierechancen in der auf Merz folgenden schwarz-blauen Regierung (ob unter einer Kanzlerin Weidel oder einem Kanzler Spahn – egal) nicht zu schmälern.
Und dann war da noch unser aller Liebling Julia Klöckner, deren charmante Aufforderung an AfD-Wähler ihr Kreuzchen doch lieber bei der CDU zu machen, weil die schließlich dasselbe wolle, dabei aber ein bisschen demokratischer aussähe (o.s.ä.), völlig zu Recht mit dem Amt der Bundestagspräsidentin belohnt wurde. Damit aber nicht genug: Noch bevor beim seligen Franzl auch nur die Leichenstarre einsetzen konnte, bedankte sich ebendiese Klöckner bei dessen Mörder, indem sie forderte, dass sich die Kirche künftig doch bitte wieder auf ihre Kernthemen (in komischen Kostümen rumlaufen, Messdiener poppen und der dummen Masse heilige Bären aufbinden) konzentrieren solle, statt linksgrünversiffte Moralpredigten zu realen Problemen der Gegenwart zu halten.
Fazit: Wer bisher dachte, es sei ein spezifisch US-amerikanisches Phänomen, dass ausgerechnet die Konservativen (von lat. conservare „bewahren“) zum Sargnagel des bestehenden Systems werden und den Aufbruch in eine Zukunft anführen, die noch die bizarrsten Horrorprognosen der Science Fiction-Literatur als Hieronymus Bosch-Wimmelbildalptraum wahr werden lässt, der hat seine Rechnung ohne die CDU gemacht.
Aber wie sieht es denn tatsächlich jetzt gerade drüben in Trumpland aus? Ist wirklich alles so schlimm? Manja Präkels hat weder Kosten noch Mühen gescheut, um Antworten auf diese Fragen zu finden. Das ausführliche Ergebnis ihres wagemutigen Selbstversuchs könnt ihr unter dem Titel „Du bist in den USA“ in der Schweizer Wochenzeitung WOZ nachlesen. Parallel (und zum selben Thema) entstand außerdem die Kurzgeschichte „Eine Schnecke namens Mimi“ für die Wochenzeitung Die Zeit. Dass man allerdings nicht zwangsläufig in die USA fliegen muss, um vom amoklaufenden Zeitgeist und seinen wissentlichen wie unwissentlichen Jüngern auf harte Proben gestellt zu werden, das könnt ihr ihrem Essay „Gegen den Wind atmen“ entnehmen, der soeben als zweiter Band der ‚haɪ̯maːtn̩-Reihe des Merve Verlags erschienen ist.
Von Markus Liske indes gibt es erst am 08. Mai wieder etwas Neues zu lesen. Da geht es dann in der Jungle World um Geschichtsrevisionismus von rechts wie links, den bröckelnden Mythos von Deutschland als „Erinnerungsweltmeister“ und die Shoa als heimtückisches Selbstmordattentat des Weltjudentums auf die deutschnationale Unschuld. Bis es aber so weit ist, erinnern wir gerne noch mal an den großen Erich Mühsam und seine nicht minder große Frau Zenzl. „Der Kampf aller gegen alle ist kein Ringen um den Preis der Schönheit, der inneren Freiheit, der Kultur – sondern eine groteske Balgerei um die größte Kartoffel“, hieß es nämlich schon vor 114 Jahren in Mühsams Text „Appell an den Geist“. Dass er damit den neuesten heißen Shice unserer Zeit, nämlich die Vermählung des Faschismus mit einem antisozial entgleisten Freiheitsbegriff vortrefflich auf den Punkt bringt, konnte olle Erich natürlich nicht ahnen. Verwundert hätte ihn die heutige Weltlage aber sicher auch nicht.
Wenn ihr mehr Texte von Mühsam zu aktuellen Fragen hören wollt: Am 01. Mai lesen Liske und Präkels aus ihrem Mühsam-Lesebuch „Das seid ihr Hunde wert!“ in Kreuzberg und am 03. Mai gibt es das Ganze noch mit den fulminanten Vertonungen von Der Singende Tresen in Freiburg. Genaueres dazu findet ihr hier:
TERMINE
Do. 1. Mai 2025 – 15-22:00 UHR
DRINNEN & DRAUSSEN FEST AUF DEM DRAGONERAREAL
LITERATUR | PERFORMANCE | GESPRÄCHE | MUSIK
ab 15 Uhr lesen Kristine Listau & Jörg Sundermeier Texte von Olga Benario, ab 16 Uhr dann Liske & Präkels Texte von Erich und Zenzl Mühsam
Sa. 03.05. – 19 Uhr
Fünf Jahrzehnte jos fritz – Jubiläumsparty
Erich-Mühsam-Programm „Das seid ihr Hunde wert!“ mit Markus Liske, Manja Präkels und Der Singende Tresen
E-Werk
Eschholzstraße 66
79106 Freiburg
Di. 13.05. – 19:30 Uhr
Buchvorstellung / Bela Winkens „Brief an die Mutter“ – mit Esther Becker, Dilek Güngör, Manja Präkels und Anke Stelling
Verbrecherversammlung
Fahimi Bar
Skalitzer Str. 133
Kreuzberg
Mi. 14.05. – 17:15 Uhr
Was zu tun ist. Panel unter Beteiligung von Manja Präkels
Congress Centrum, Saal 2
Leipzig
Mi. 21.05. – 18 Uhr
Max Czollek im Gespräch mit Manja Präkels
Safi Faye Saal
Haus der Kulturen der Welt
John-Foster-Dulles-Allee 10
10557 Berlin
Mi. 28.05. – 19:30 Uhr
Manja Präkels liest frische Texte
Bar SOFIA
Wrangelstraße 93
10997 Berlin
Für heute soll es damit gut gewesen sein. Mehr Termine dann wieder im Juni. Bis dahin: Genießt die papstlose Zeit, so lange sie dauert! Und falls irgendwann so ein bärtiger Typ mit US-Akzent bei euch klingeln sollte – macht lieber nicht auf, wenn euch euer Leben lieb ist.
Eure atheistischen Berg- und Talprediger in der