Liebe Freunde von WORT & TON,
geht euch das auch so? Erst Mitte Februar und irgendwie ist schon die Luft raus. Man wartet gar nicht mehr auf ein Ende des Lockdowns, weil inzwischen die Erinnerungen an ein Leben ohne Einschränkungen immer blasser werden. Ja, fast wirkt die Perspektive geöffneter Kneipen und Restaurants sogar ein bisschen bedrohlich: All diese Menschen mit denen man dann plötzlich wieder interagieren müsste! Dabei empfindet man doch mittlerweile schon zwei Video-Chats in einer Woche als Sozialstress. Lähmende Müdigkeit hat sich über die Welt gelegt. Nicht einmal der in den letzten Jahren so oft vermisste Schnee kann mehr verzaubern. Und Netflix ist auch schon lange leergeguckt. Entweder man arbeitet oder man hängt so rum, und für die, die Homeoffice machen dürfen, verschwimmt mehr und mehr die Grenze zwischen diesen beiden Zuständen. Arbeite ich noch, oder hänge ich schon rum? Ist Rumhängen vielleicht auch ein Form von Arbeit? Oder Arbeit nur Rumhängen für Geld? – Das sind die Fragen der Zeit. Jedenfalls für die Glücklichen unter uns.
Die weniger Glücklichen, das sind nicht nur all jene die bereits an SARS-CoV-2 verstorben sind oder schlimme Langzeitfolgen einer Infektion ertragen müssen. Es sind auch all die Selbstständigen, die immer noch verzweifelt auf die “Novemberhilfe” warten, oder bereits pleitegegangen sind. So wie unsere langjährige Lieblings-Kiezkneipe “Das blaue Licht”, die Manja Präkels vor ein paar Jahren noch in ihrem Taz-Fortsetzungsroman “Im Anwohnerpark” verewigt hat. Ebenso zählen die Flüchtlinge auf den griechischen Inseln und die Obdachlosen hierzulande zu den Hauptverlieren dieser Krise. Ihr Elend geht im täglichen Nachrichtenstrom noch tiefer unter als es schon in nicht-pandemischen Zeiten der Fall ist.
Dabei ist die allgemeine Nachrichtenlage keineswegs so spannend, dass man über diese Menschen nicht auch intensiver berichten könnte. Erwartungsgemäß gescheitertes Impeachment gegen Donald Trump? Gähn. Die Grünen verhageln sich den Wahlkampf frühzeitig mit einem als Eigenheimkritik getarnten Veggieday 2.0? Doppelgähn. Auf Facebook wird dieweil zwischen Fastilliarden von Schneebildern (mal mit, mal ohne Hund, Katze, Kindern) darüber debattiert, dass möglicherweise wieder irgendjemand vielleicht von irgendwem “gecancelt” wurde, dass Robert Habeck ein selbstverständlich ganz schlimm doofes Vorwort zur Neuübersetzung von George Orwells “1984” geschrieben hat, oder wie sehr auf einer Skala zwischen extrem und unfassbar die EU-Kommission bei der Beschaffung von Impfstoffen versagt hat. MEGAGÄHN! Mal im Ernst: Wie sehr kann es einen erstaunen, dass diese zuvor auf nationaler Ebene an jedem Amt gescheiterten Polit-Altstoffe vom Schlage Ursula von der Leyens, die man seit Jahrzehnten gen EU entsorgt, nun auch international versagen? Und wenn es einen nicht erstaunt, wie kann man sich dann so darüber empören, dass das Erwartbare passiert?
Überraschender erschien da schon die plötzlich aufploppende Frage, ob eine Israelin (Gal Gadot) in einem neuen Kinofilm eine Griechin (Kleopatra VII.) spielen darf. In dieser Kürze zusammengefasst, mag die Frage durchaus seltsam erscheinen, aber so richtig absurd wird es erst in der Langfassung. Die geht so: Olle Kleopatra war die letzte Königin von Ägypten, Ägypten liegt in Afrika und in Afrika wohnen bekanntlich viele schwarze Menschen, also sollte diese Dame doch bitteschön auch von einer schwarzen Schauspielerin gespielt werden. So weit, so falsch. Nicht nur, dass sie eben aus einem griechischen Adelsgeschlecht stammte, Unterägypten, wo sie residierte, war zu jener Zeit Teil eines mediterranen Multikultipools, der sich von Spanien bis nach Syrien rund ums Mittelmeer erstreckte. Griechen, Römer, Juden, Syrer, Iberer, Armenier und auch einige oberägyptische Nubier sexelten in diesem Pool umeinander, dass es eine reine Pracht war. Hautfarbe spielte für die Menschen in der Antike dabei keine allzu große Rolle. Der Rassismus war schlichtweg noch nicht erfunden. Inzwischen wurde er leider erfunden und geht anscheinend nicht so schnell wieder weg. Das merkt man auch daran, dass die israelische Schauspielerin in der Debatte penetrant als “Weiße” bezeichnet wurde. Wenigstens eine Orientalin hätte es doch sein müssen … Wir empfehlen, einfach noch mal in den Weltatlas zu schauen.
Was gab es noch an Aufregern? Nun, da war noch ein Fußballtrainer (und mithin ausgewiesener Fachmann für die komplexe Wissenschaft des möglichst ein Tor mehr als die anderen Schießens) der den promovierten Epidemiologen Karl Lauterbach in Sachen Corona als “sogenannten Experten” bezeichnete. Eine durchaus skurrile, aber auch nicht wirklich sensationelle Entgleisung, bedenkt man, dass der Trainer bei einem Verein tätig ist, dessen führende Köpfe ohnehin dazu neigen, nicht mit selbigen zu denken, sondern mit einem Gangliennetzwerk, das mittelliniengerade zwischen ihren Brieftaschen und Phallusspitzen verläuft.
Auch manche Politiker haben diese Form des “Denkens” inzwischen zu einer wahren Kunstform entwickelt. Unser Milliardenversenkungsminister Andi Scheuer beispielsweise. Und natürlich auch der Pharma-Cheflobbyist und Immobiliensammler Jens Spahn, der aktuell dem Gesundheitsministerium vorsteht. Ein Jahr nach Beginn der Corona-Pandemie, hat der kürzlich mal fünf Minuten gefunden, um sich mit dem Thema zu beschäftigen, und verspricht nun jedem Bürger kostenlose Schnelltests – also demnächst … irgendwann. Frei nach dem Motto: Wenn wir den Pöbel schon nicht impfen können, soll er sich halt Wattestäbchen in die Nase schieben … In einer Welt, in der so einer als politische Lichtgestalt gilt und ein Andi Scheuer nicht schon längst im Knast sitzt – in einer solchen Welt fällt es natürlich selbst den von der Leyens in der Europäischen Kommission schwer, rechtzeitig als Total-Null erkannt zu werden. Wer diese politische Meßlatte noch tiefer legen möchte, braucht schon eine gute Schaufel und viel Zeit zum Graben.
Die Redaktion der BILD-Zeitung besitzt bekanntlich nicht nur eine Schaufel, sondern eine ganze Baggerflotte und hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, die journalistische Meßlatte noch unter der politischen, ja, möglichst in Nähe des Erdmittelpunkts abzulegen. Während jeder, der halbwegs bei Verstand ist, angesichts der neuen Corona-Mutationen möglichst niedrige Inzidenzwerte fordert, um auch nur über eine Lockerung des Lockdowns nachzudenken, jammert die BILD-Zeitung tagtäglich darüber, dass doch immer von einem Inzidenzwert von 50 die Rede war, nun aber 35 angepeilt wird und die gemeine Kanzlerin ihr, der BILD-Zeitung, das nie richtig erklärt habe. Nun, da springen wir doch mal für Frau Merkel in die Bresche und erklären es der Redaktion in einer Sprache, die sie versteht: Also BILD, stell dir vor, es gibt einen finsteren Clan-Chef, der ist richtig schlimm und macht ganz schnell ganz viele Menschen tot. Und dann gibt es noch Verwandte dieses Clan-Chefs, die kommen aus Großbritannien, Südafrika und Brasillien, sind noch böser und machen noch schneller noch mehr Menschen tot. Diese Verwandten wurden gerade von kriminellen Schleuserbanden, die sich als Urlauber oder Geschäftsreisende tarnen, nach Deutschland gebracht, weshalb man jetzt noch ein bisschen vorsichtiger sein muss … Alles klar?
Tatsächlich kann der Inzidenzwert angesichts ausbleibender Impfungen und neuer Mutationen gar nicht niedrig genug sein, weshalb wir die Initiative #ZeroCovid unterstützen. Diese fordert einerseits einen vollständigen Lockdown, der auch alle Bereiche der Wirtschaft umfasst, welche nicht für die Grundversogung der Bevölkerung benötigt werden. Andererseits fordert sie die Freigabe der Impfstoff-Patente, um schnellstmöglich eine Impfung für alle Menschen weltweit sicherzustellen. Darüber und warum sich dieser äußerst vernünftige Ansatz trotzdem nicht durchsetzen wird, hat Markus Liske kürzlich unter dem Titel “Feierabend für das Virus” in der Jungle World geschrieben. In der aktuellen Ausgabe erörtert er unter dem Titel “Keine Tat ohne Täter” anlässlich des Jahrestags des rechtsextremen Attentats in Hanau die Frage, ob es wirklich sinnvoll ist, die Namen der Attentäter nicht mehr auszuschreiben, wie es manche Medien inzwischen tun. Außerdem hat er für die Taz zuletzt Kurt Tucholskys alte Forderung “Reisende, meidet Bayern!” aktualisiert und für das Ergebnis (“Reisende, meidet Sachsen!”) einen kleinen Shitstorm ostdeutscher Leser auf sich gezogen, obwohl es im Text gar nicht ausschließlich um Ostdeutschland geht.
Manja Präkels ist inzwischen Stadtschreiberin im schönen Rheinsberg und hat unseren Feelgood-Manager Frodo bei sich, was auch die Märkische Allgemeine Zeitung freut. Heute Abend (also Do., 18.02.) um 18:30 wird Manja in der RBB-Fernsehsendung ZIBB live von ihren ersten Eindrücken berichten. Unbedingt einschalten!
Ebenfalls einschalten könnt ihr die online stattfindende Talkrunde Martin Schirdewahn lädt ein, bei der Manja aus ihrem Roman vorlesen und mit Bodo Ramelow (Ministerpräsident Thüringen), Amira Mohammed Ali (Fraktionsvorsitzende DIE LINKE. im Bundestag), Romy Arnold (MOBIT) sowie Katja Maurer (linksjugend solid) darüber diskutieren wird.
Zurück in Rheinsberg wird Manja dann nicht nur an ihrem neuen Buch weiterschreiben, sondern auch wieder Texte für DER SINGENDE TRESEN. Die Band wird nämlich im Sommer unfassbare 20 Jahre alt. Das wollen wir mit neuen Songs feiern!
Ihr merkt, wir geben alles, um unsere Lockdown-Müdigkeit auf sinnvolle Weise zu überwinden. Aber ob nun einfach nur rumhängen, oder rumhängen für Geld – das Wichtigste ist, dass wir alle uns nicht unterkriegen lassen und uns weiter für jene stark machen, die keine Lobby haben! Für jene also, die in all dem Lockdowngejammer kaum noch genannt werden, obwohl die Krise sie am Schlimmsten trifft: Obdachlose, Flüchtlinge, Solo-Selbstständige, die sich schon vor Corona finanziell nur von Tag zu Tag retten konnten. Und denkt daran: Selbst wenn der Jens und die Ursel noch 10 Jahre brauchen, bis jeder von uns seinen Impftermin hat – irgendwann werden wir uns definitiv auch live wiedersehen! Bis dahin geben wir uns alle Mühe, euch mit neuen Artikeln, Büchern und CDs zu versorgen – versprochen!
Eure unbeirrbaren Hoffnungsträger in der