WORT & TON im Nov./Dez. 2023

Liebe Freunde von WORT & TON,

im letzten Monat habt ihr nichts von uns gehört. Dafür gab es mehrere Gründe. Zum einen hatten uns gesundheitliche Fragen eine mehrwöchige Bühnenpause aufgenötigt, zum anderen verschlugen uns das grauenvolle Massaker der Hamas am 7. Oktober und viele der hiesigen Reaktionen darauf zwischenzeitlich die Sprache.

So unerträglich es auch war, als sich beim Einmarsch von Putins Invasionsarmee in die Ukraine große Teile der deutschen Linken entweder in Relativierung übten oder sogar zum Sprachrohr des Aggressors machten und unter dem niedlichen Täubchen der Friedensbewegung den Schulterschluss mit Rechtsextremen vollzogen – die irre Geschwindigkeit mit der nun der grauenvolle Massenmord an jüdischen Männern, Frauen und Kindern durch islamistische Killerschwadrone mit dem alten Narrativ vom palästinensischen Freiheitskampf gegen das angebliche „Apartheidsregime Israels“ überdeckt wurde, hat uns wahrlich umgehauen. Zumal aufgrund der deutlich größeren Verbreitung unter jüngeren und ganz jungen Aktivisten, bis hin zu Fridays for Future.

Konnte man im Kontext des Krieges gegen die Ukraine mit Blick auf die „linken“ Teile der putinistischen Querfront noch darauf hoffen, dass deren in den Siebzigerjahren gewachsener „Antiimperialismus“ (der in Wahrheit meist bloßer Antiamerikanismus mit antisemitischer Grundierung ist) schon bald mitsamt seinen lang ergrauten Protagonisten in die Grube fährt, zeigte sich in den Reaktionen auf das Hamas-Massaker, das damit noch lange nichts gewonnen ist, haben doch junge Akademiker diesen spezifisch linken Antisemitismus längst unter dem coolen neuen Stichwort „Postkolonialismus“ international reanimiert.

Sicher, irgendwie könnte man es fast lustig finden, wenn hierzulande junge queere Menschen Seit an Seit mit eben jenen islamistischen Irren, die sie jederzeit für ihre sexuellen Vorlieben oder geschlechtlichen Identitäten köpfen würden, so sie die Chance dazu hätten, gegen das Existenzrecht eines Staates demonstrieren, in dem queere Lebensentwürfe so frei gelebt werden können, wie sonst kaum irgendwo auf der Welt. Ebenso könnte es einen erheitern, wenn sich rechte Antisemiten in ihrem rassistischen Hass auf in Deutschland lebende Muslime plötzlich als Verteidiger jüdischer Kultur gerieren. Und wenn sich CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne dann von denen vor sich her treiben lassen und untereinander darum wetteifern, wer die markigsten Abschiebeforderungen formulieren kann. Aber angesichts der grauenvollen Bilder aus Israel fällt es uns schwer, über derlei groteske Irrungen und Wirrungen zu lachen.

Nicht einmal die teils wirklich ganz amüsanten Memes zu Richard David Prechts ebenso antisemitischem wie volldeppenhaftem Unsinn über orthodoxe Juden im Gespräch mit Markus Lanz („dürfen nicht arbeiten, Diamantenhandel und ein paar Finanzgeschäfte ausgenommen“) vermochten uns ein Grinsen ins Gesicht zu zaubern. Denn, dass derlei in einem öffentlich-rechtlichen Format tatsächlich ausgestrahlt wird und offenbar niemandem in der zuständigen Redaktion bei der Produktion etwas aufgefallen ist, ja, dass keiner der Verantwortlichen dafür seinen Hut nehmen muss oder sich wenigstens zu einer ordentlichen Entschuldigung bemüßigt sieht – das ist überhaupt nicht witzig. Das ist beängstigend.

Zum Glück gab es zuletzt auch ein paar gute Nachrichten. Zum Beispiel, dass die prominente Rosa Luxemburg-Cosplayerin Sarah Wagenknecht aus der Linkspartei ausgetreten ist und unter dem bescheidenen Titel „Bündnis Sarah Wagenknecht“ nun zur Gründung einer neuen Partei schreitet. Endlich, möchte man da fast sagen: Endlich müssen Rechte, die sich für links halten, nicht mehr zähneknirschend rechtsextrem wählen, sondern können ihre Stimme befreit einer vorgeblich linken Partei geben, die stramm rechte Ideen vertritt. Warum sollte man Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus, Homo- und Transphobie auch den Nazis überlassen – wo doch die rote Fahne ohne das historisch etwas anrüchige Hakenkreuz in der Mitte viel hübscher aussieht? Ein Sammelbecken für Corona-Leugner und andere Verschwörungstheretiker, Putin- und Hamas-Fans, unter Führung einer Frau, die vom rechtsextremen Compact-Magazin bereits zur „besseren Kanzlerin“ gekürt wurde – das hat die Parteienlandschaft offenbar unbedingt gebraucht. Darauf lässt jedenfalls das ohren- und hirnbetäubende Presseecho schließen …

Falls wir euch nun allzu bitter vorkommen, möchten wir uns entschuldigen. Sicher spielt da auch unsere alljährliche Herbst-Depression ein bisschen mit rein, die Markus Liske gerade in einem Artikel über die Vielzahl der derzeit ums wirtschaftliche Überleben ringenden linken Publikationsorgane wie Titanic, Missy, Tagebuch, ND etc. hemmungslos auslebte. Das Ergebnis könnt ihr unter dem Titel „Betreutes Sterben“ in der Jungle World (die sich übrigens auch stets über neue Abonnenten freut!) nachlesen.

Manja Präkels musste sich in den letzten Wochen, aufgrund schon länger geplanter körperlicher Reparaturarbeiten, etwas schonen. Am vergangenen Donnerstag aber hat sie gemeinsam mit den geschätzten Kollegen Anne Rabe und Daniel Schulz bereits wieder eine erste Veranstaltung absolviert und wird in diesem Jahr auch noch an verschiedenen Orten live zu erleben sein, bevor sie sich im Januar zu einem dreimonatigen Stipendium in die Casa Baldi verabschiedet.

DER SINGENDE TRESEN hingegen ist bereits in der Winterpause – aber nur, was Live-Konzerte betrifft. Die neue CD „alleswasderfallist“ ist dafür inzwischen auf wirklich allen gängigen Online-Plattformen erhältlich und kann auch bei Spotify & Co. digital gestreamt werden. Weshalb sich das lohnt, hat der Journalist Oliver Köhler anlässlich der Record Release für PNN/Tagesspiegel aufgeschrieben: „Die Band hat in Krisenzeiten ihr sechstes Album veröffentlicht und in Potsdam vorgestellt. Es ist eine gewaltige musikalische Erzählung. (…) Ein ergreifendes Album, das man nicht überhören kann.“ Danke für die schönen Blumen!

Hier nun die anstehenden …

TERMINE

Di. 07. November – 18:00 Uhr

Rechte Gewalt – Aktuelle Analysen und zeithistorische Perspektiven

mit: Gideon Botsch (MMZ Potsdam), Gesa Köbberling (EH Freiburg) und Manja Präkels

Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte

Am Neuen Markt 9

Potsdam

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Fr. 10. November – 19:00 Uhr

Manja Präkels liest: Welt im Widerhall

Thälmanns

Ernst-Thälmann-Str. 75

Müncheberg

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Di. 28. November – 18:00 Uhr

Manja Präkels liest: Welt im Widerhall

Zentrum für Kinder- und Jugendkultur

Pädagogische Hochschule
Keplerstraße 87

Heidelberg

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Do. 30. November – 19:00 Uhr

„Was erzählen wir uns von Ostdeutschland?“ – Podiumsdiskussion mit:

Manja Präkels, Ines Geipel, Antonie Rietzschel, Carsten Schneider, Peter Neumann

LiteraturEtage

Marktstr. 2-4

Weimar

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Fr. 08. Dezember – 19:00 Uhr

Manja Präkels liest: Welt im Widerhall

Klosterscheune

Im Kloster 1

Zehdenick/Mark

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Sa. 09. Dezember – 19:00 Uhr

Manja Präkels liest: Welt im Widerhall

tba (schaut einfach kurz vorher auf unsere Terminseite, wenn ihr aus der Gegend kommt!)

Bernau

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Mo. 11. Dezember – 19:30 Uhr

Manja Präkels liest: Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß

Lebens(t)räume e.V.

Ernst-Thälmann-Straße 38

Ebersbach-Neugersdorf

 

Das war es für heute. Gehabt euch wohl, und lasst euch bitte nicht von alten oder neuen Welterklärungsmodellen irre machen. Es gibt da einen ganz einfachen Trick: Wenn so ein Theoriegebäude, so schlüssig es sonst auch klingen mag, am Ende von euch Solidarität mit Massenmördern verlangt, die Kleinkindern aus nächster Nähe in den Kopf schießen und auf die Leichen vergewaltigter Frauen spucken, dann ist alles daran falsch.

Eure im Geiste Erich Mühsams stets unbeirrbaren Menschenfreunde in der

Gedankenmanufaktur WORT & TON