WORT & TON im April 24

Liebe Freunde von WORT & TON,

die ebenso aufregende wie anstrengende Zeit unseres Pendelns zwischen Italien und Deutschland ist vorbei, und rechtzeitig zum verfrühten Sommerbeginn im April haben wir wieder an unseren Berliner Schreibtischen platzgenommen. Aber keine Sorge, zu bequem werden wir es uns da nicht machen. Schließlich leben wir in beunruhigenden Zeiten: grassierender Antisemitismus im Kulturbetrieb und an den Universitäten, eine rechtsextreme Partei, die bei den anstehenden Landtagswahlen in Ostdeutschland in Regierungsverantwortung kommen könnte, und ein ungebremst weiter wuchernder Wildgarten an Verschwörungsirrsinn, dessen massiver Pollenflug nicht nur Allergikern die Tränen in die Augen treibt.

Das Neueste aus dem Warenregal für alternative Fakten: magnetischer Saharastaub! Der wird gerade vom Südwind durch die Social Media-Landschaft geweht, dass es eine wahre Pracht ist und sogar die schon fast vergessene Chemtrails-Urverschwörung wieder lustig aufflattert. Oder nehmen wir die unlängst veröffentlichten RKI-Protokolle, die uns – so sagen selbst vergleichsweise seriöse Medien – einen tiefen Einblick in … ja was eigentlich geben? Dass sämtliche Politiker und Wissenschaftler zum ersten Mal mit einer weltweiten Pandemie konfrontiert waren und ihr schnell zusammengeschusterter Maßnahmenkatalog infolgedessen zunächst einmal nach dem „trial and error“-Prinzip funktionieren musste? Wussten wir das nicht bereits? Wir waren doch alle dabei, oder?

„Aber da sind doch lauter geschwärzte Stellen in den Papieren!!1!1!“ Ja, genau. Und unter den Schwärzungen steht ganz bestimmt, dass alles nur ein Fake war, damit Bill Gates im Auftrag des weltjüdischen Kontrollrats die gesamte Menschheit chippen kann … ist klar. Leider ist heute offenbar gar nichts mehr zu doof, um daraus Nachrichten zu machen, weshalb prompt auch wieder schwäbische Esoterikomas ins TV zu gehievt werden, um uns zu erzählen, dass nach der Impfung überall Leute einfach tot umfielen. Wichtige Beobachtung – das muss man bringen!

Und wenn sich demnächst erwartungsgemäß die ersten queeren Hamas-Fans in ihren Judith Butler-Proseminaren einer neuen Exegese der „Protokolle der Weisen von Zion“ widmen, gibt es bestimmt wenig später bei Markus Lanz eine spannende Diskussion darüber, ob es sich bei diesen Papieren tatsächlich um einen Fake handelt oder nicht vielleicht doch … – natürlich mit ausgewogener Beteiligung von Wissenschaftlern und irren antisemitischen Nerds, weil das ja nun mal zur Meinungsfreiheit gehört. Gute Nachrichten für Wladimir Putin und Xi Jinping: Ihr könnt eure Desinformationsbots abschalten – wir kriegen das alles schon selber hin.

Ja, Freiheit ist ein hoher Wert: Meinungsfreiheit, Redefreiheit, Pressefreiheit – alles zu Recht im Grundgesetz verankert. Auch massivste Vollpfosten dürfen daher hierzulande jederzeit irgendwas meinen, brabbeln oder aufschreiben – und das ist auch gut so. Die einzige Möglichkeit es ihnen zu verbieten, wäre schließlich die Schaffung von Zensurstrukturen, vor denen dann wiederum perspektivisch niemand mehr sicher wäre. Was allerdings nicht im Grundgesetz steht, ist, dass man Rechtsextreme, Antisemiten oder Verschwörungsideologen medial fördern und ihnen Podien bieten muss. Vielleicht könnte man sich ja darauf mal besinnen?

Wie komplex sich das Thema Freiheit darstellen kann, zeigt sich auch im bei KEIN&ABER frisch erschienen, von Tanja Raich zusammengestellten Sammelband „Frei sein – Das Ringen um unseren höchsten Wert“, der demnächst in Berlin vorgestellt wird (siehe: Termine). Markus Liske hat zu diesem Buch einen Essay beigesteuert, in dem sich verschiedene Themen in freier Assoziation vermischen: die rasant fortschreitende Verbreitung rechtslibertärer Positionen im Milieu der Habenden, Pandemie, Putins Krieg, die sozialen Verwerfungen an unserem heimischen Kreuzberger Mehringplatz und natürlich auch eine Erinnerung an den großen Erich Mühsam.

Mühsams 146. Geburtstag am 06. April war zugleich der 105. Jahrestag der von ihm maßgeblich mitgegründeten Bairischen Räterepublik. Ein bis heute faszinierender Versuch, eine freiere Gesellschaft zu errichten, den unsere geliebte Traditionspartei SPD zwar schon nach kurzer Zeit von faschistischen Freikorps blutig niederschlagen ließ, dabei aber den Mühsam trotzdem nicht loswurde. Der entging dem Gemetzel, weil er zu diesem Zeitpunkt schon inhaftiert war, und wurde daher erst 15 Jahre später, am 09. Juli 1934, im KZ Oranienburg umgebracht. Zum 90. Jahrestag seiner Ermordung gibt es in diesem Jahr wieder mehrere Termine für unseren Mühsam-Abend „Das seid ihr Hunde wert!“ mit Markus Liske, Manja Präkels und DER SINGENDE TRESEN. Den Auftakt machen wir bereits Mitte Mai in Leipzig. Kommense rum!

Von Manja Präkels könnt ihr demnächst auch was Neues lesen, nämlich in dem prächtigen Foto- und Essayband „An den Rändern taumelt das Glück. Die späte DDR in der Fotografie“, der demnächst erscheint und bei MBooks bereits vorbestellt werden kann. Und genau wie DER SINGENDE TRESEN ist auch Manja Präkels wieder live zu erleben. Frisch zurück aus Italien wird sie in den kommenden Monaten diverse Lesungen und Podiumsgespräche absolvieren. Darüber hinaus beteiligt sie sich an der Organisation mehrerer Veranstaltungs- und Dokumentationsprojekte im Kontext der anstehenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Warum das wichtig ist? Weil diese Wahlen im schlimmsten Fall zu einer oder gar mehreren Regierungsbeteiligungen der rechtsextremen AfD führen könnten und sich all jene Politiker und Medien, deren andauerndes Fehl- oder Nichtverhalten in dieser Frage den AfD-Aufstieg seit Jahren fördert, nachher bestimmt wieder wundern werden, wie es dazu kommen konnte. Zudem ist es wichtig, all jene zu unterstützen, die in diesen Gegenden mit großem persönlichem Einsatz und trotz massiver Angriffe von rechts weiter die Fahne der Zivilisation hochhalten. Also kommt vorbei und zeigt Gesicht! Hier unsere nächsten …

TERMINE

Mi. 10. April – 19:30

Über die Kunst der Solidarität

Podium mit: Manja Präkels, Katharina Kalthoff, Jens Kastner und Florian Kappeler

Literaturforum im Brechthaus

Chausseestr. 125

Berlin-Mitte

 

Fr. 12. April – 18:00

„Im Osten nichts Neues“

Manja Präkels liest „Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß“

Anschließend Konzert mit: DER SINGENDE TRESEN

Puschkinhaus

Kardinal-Albrecht-Str. 6

Halle

 

Mi. 17. April – 20:00

Buchpremiere „Frei sein“

Mit: Markus Liske, Tanja Raich, Jayrome Robinet, Elisabeth Wellershaus u.a.

Heimathafen Neukölln

Karl-Marx-Str. 141

Berlin

 

Fr. 26. April – 20:00

Manja Präkels liest „Welt im Widerhall“

Fraunhofer Theater

Fraunhoferstr. 9

München

 

Sa. 27. April – 11:00

Soziale Durchmischung: Wie geht das? – Podium zur Stadtplanung rund um den Mehringplatz

Mit: Markus Liske, Florian Schmidt, Andreas Kerschbaumer u.a.

Taz-Lab (grüne Bühne)

Friedrichstr. 21

Berlin-Kreuzberg

 

Sa. 27. April – 17:15

Die Überlandschreiberinnen – Dokumentationsprojekt zu den anstehenden Landtagswahlen

Mit: Manja Präkels, Barbara Thériault und Tina Pruschmann

Taz-Lab (lila Bühne)

Friedrichstr. 21

Berlin-Kreuzberg

 

Di. 14. Mai – 20:00

Basel Debates #8: Was tun mit Idioten?

Podium mit: Manja Präkels, Peter Maurer, Gerold Dünki u.a.

Kaserne

Klybeckstr. 1b

Basel

 

Fr. 17. Mai – 20:00

„Das seid ihr Hunde wert!“

Erich Mühsam zum 90. Jahrestag seiner Ermordung

Mit: Markus Liske, Manja Präkels & DER SINGENDE TRESEN

Cammerspiele Leipzig

Kochstraße 132

Leipzig

So viel für heute. Wie es weitergeht, erfahrt ihr im Mai-Newsletter. Bleibt stabil und – positiv. Ist doch immerhin rückenschonend, wenn man seinen Balkon jetzt mithilfe seiner magnetisierten Coronaimpfungseinstichstelle entstauben kann! Und wenn die AfD bei den Wahlen … hm … nee, da fällt uns jetzt leider kein positiver Dreh zu ein.

Gehabt euch trotzdem wohl!

Eure vollmagnetisierte Swiffer-Antifa in der

Gedankenmanufaktur WORT & TON