WORT & TON im September 2025

WORT & TON im September 2025

Liebe Freunde von WORT & TON,

mehrfach haben wir uns in den letzten Wochen bemüht, einen Anfang für diesen Newsletter zu finden, aber weil uns die zwischenzeitliche Hitze die Hirnis gar schrecklich schummrig machte, ging da immer wieder einiges durcheinander.

Zuerst starteten wir mit Julia Klöckners und Wladimir Putins Verlobung im Kanu des Manitu auf dem Weg nach Gaza, dann mit einem Käfigkampf von Bully Herbig und Donald Trump in Jörg Pilawas Show „Friedensgipfel in der Manege“, und schließlich landeten wir bei Greta Thunbergs Plänen, in einer gemeinsamen Regenbogenflotte mit dem Vorstand der Berliner Linkspartei den Nil hinauf zu schippern, um hungernde sudanesische Kinder vor israelischen Bomben zu schützen. Kurz: Sonne und alkoholische Erfrischungsgetränke hatten uns den Brägen so mürbe gemacht, dass wir ebenso gut eines dieser grässlichen KI-Programme damit hätten beauftragen können, aus aktuellen Schlagzeilen einen Anfang zu komponieren. Hoffnungslos.

Mit dem nun allzu früh angebrochenen Herbst allerdings, mussten wir feststellen, dass unsere zwischenzeitliche Verwirrung vielleicht doch nicht nur am Wetter lag, ja, dass vielmehr die Nachrichtenlage selbst sich in diesem Sommer so bizarr entwickelte, als hätte man ein KI-Programm mit der Regie für das aktuelle Weltgeschehen beauftragt, um uns alle in den Wahnsinn zu treiben.

Gut, dass es um den deutschen Humor schlecht bestellt ist, wusste man. Insofern war es keine Überraschung, dass gerade ein Filmchen mit abgeschmackten Witzen über schwule Indianer, die man – hihihi – nicht mehr Indianer nennen darf, am Startwochenende das beste Einspielergebnis für einen deutschen Film seit diesem ersten Machwerk über schwule Indianer, die man damals noch – hohoho – Indianer nennen durfte, erzielte. Auch, dass Friedrich Merz mit seinem Versuch, die AfD-Fans in der eigenen Partei mittels hochrangiger Posten wie Bundestagspräsidentin, Fraktionsvorsitzender oder Kulturstaatsminister einzubinden, nicht nur die Regierungskoalition, der er vorsteht, sondern die Demokratie selbst gefährden würde, war abzusehen. Und die Begeisterung des amerikanischen Präsidenten für den russischen Autokraten Putin war ebenfalls bekannt. Aber dass Trump diesem Kriegstreiber in Alaska tatsächlich einen roten Teppich ausrollen, sein Aussteigen aus dem Flieger wie ein minderjähriger Fanboy beklatschen und gemeinsam mit ihm in der Präsidentenlimousine fahren würde – das hätte sich Bully Herbig kaum blöder ausdenken können.

Wen konnte es da noch wundern, dass im Vorfeld des nachfolgenden großen Gipfels in Washington auf allen Kanälen vor allem über die Frage debattiert wurde, ob der ukrainische Präsident Selenskyj diesmal im Anzug erscheinen würde, um Putins Marionette im Oval Office gnädig zu stimmen, während gleichzeitig die beteiligten europäischen Staats- und Regierungschefs sich mit psychologischen Beratern auf das Gespräch vorbereiteten mussten, als gelte es, Hannibal Lecter selbst gegenüberzutreten.

Immerhin, die Strategie war erfolgreich: Trump hat am Ende niemandem ins Gesicht gebissen, und auch sein Kettenhund JD Vance knurrte nur leise unterm Tisch hervor. Ergebnis des Ganzen? Trump informierte zwischendrin Putin per Telefon, was gerade abgeht, und der wiederum ließ diesmal nicht nur den üblichen Bombenhagel auf die Ukraine niedergehen, sondern auch noch einen seiner Panzer mit gehisster US-Flagge die Front entlangfahren. Und zur Verdeutlichung seiner Haltung, gingen am nächsten Tag gleich noch mal 570 Drohnen und 40 Raketen auf ukrainische Städte nieder.

Die von russischer Verhandlungsbereitschaft halluzinierenden westlichen Staatschefs ficht so was natürlich nicht an. Ebenso wenig wie die ganz realen Opfer dieses furchtbaren Krieges, die Ermordeten, Vergewaltigten und Verschleppten, von denen bezeichnenderweise gar nicht erst geredet wurde. Obwohl … doch. Nachdem bereits Melania Trump ihren Mann dem Putin einen Brief bezüglich der rund 20.000 (nach offiziellen Angaben) oder gar 250.000 (laut diverser Hilfsorganisationen) nach Russland entführten ukrainischen Kinder übergeben ließ, bekam sie selbst nun einen Brief von Selenskyjs Frau Olena Selenska zum selben Thema. In einer Welt, in der man endlich wieder schlechte Witze über schwule Indianer (harharhar) machen darf, der deutsche Kulturstaatsminister gegen „Gendersprache“ zu Felde zieht und die Bundestagspräsidentin sich Regenbogenfahnen verbittet, wenn sie nicht gerade mit den Rechtspopulisten von NIUS bei lustigen Sommerfesten abhängt – in einer solchen Welt sind Kinderschicksale eben wieder ein Thema für besorgte Ehefrauen. Außer natürlich die verhungernden Kinder im Sudan. Die sind für niemanden ein Thema.

Zum sudanesischen Bürgerkrieg und der damit einhergehenden weltweit größten Hungerkatastrophe derzeit ist in der hiesigen Presse tatsächlich nahezu nichts zu lesen. Nicht einmal die deutsche Linke interessiert sich dafür. Aber das muss man verstehen. Zwar sind die Menschen, die dort gerade sterben, größtenteils Muslime und gehören somit zur beliebtesten Opfergruppe unter Linken, doch die für das Elend Verantwortlichen sind es eben leider auch. Kein Jude weit und breit, dem man die Schuld geben könnte – das senkt den Nachrichtenwert und dämpft die Empörungsbereitschaft.

In Gaza sieht es bekanntlich anders aus. Da gibt es nicht nur böse Juden, die man – dank der Zusammensetzung des aktuellen Netanyahu-Kabinetts – sogar rechtsextrem nennen darf (wie geil ist das denn?!). Es gibt sogar noch eine islamistische Terrororganisation, die man sich – getreu der linksidentitären Vordenkerin Judith Butler – als „soziale Bewegung“ und „Teil einer globalen Linken“ imaginieren kann, weil … na ja, weil sie eben Juden hassen und Juden bekanntlich den Kapitalismus nicht nur erfunden haben, sondern auch bis heute per geheimem Weltkontrollrat lenken.

Mit Antisemitismus haben solche Ansichten selbstverständlich gar nichts zu tun, weil Linke ja immer die Guten sind und also gar keine Antisemiten sein können, nicht einmal dann, wenn sie – wie die Frankfurter Linksjugend [’solid] – öffentlich bedauern, dass eine jüdische Schülergruppe nur aus dem stehenden, nicht aus dem fliegenden Flugzeug geworfen wurde. Was sollte in einer Geisteswelt, in der das Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023, all die Morde, Vergewaltigungen und Folter an Geiseln, als legitimer Akt „bewaffneten Widerstands“ (Judith Butler) erscheint, schon noch dagegensprechen, jüdischen Kindern den Tod zu wünschen?

Über derlei linksidentitären Irrsinn schrieb Markus Liske bereits vor einem Jahr den Text „Im Gehirn von Judith Butler (eine gescheiterte Satire)“. Abgedruckt wurde der dann in der unbedingt lesenswerten von Michael Bittner, Lea Streisand und Heiko Werning herausgegebenen Anthologie „Sind Antisemitisten anwesend?“ (Satyr Verlag), die nun ihrerseits – tufftäää! – für den Hotlist-Preis bester Bücher aus unabhängigen Verlagen nominiert wurde. Das finden wir ebenso super, wie die Tatsache, dass der großartige Danny Dziuk sich von Liskes Text zu einem Lied inspirieren ließ. „Brunch mit Butler (from the river tot he sea)“, heißt das schöne Stück und kann über den Link kostenlos angehört werden. Lohnt sich!

So viel zu Buchveröffentlichungen aus dem letzten Jahr. Kommen wir nun zur bereits zweiten diesjährigen Neuerscheinung aus unserem Hause: Nachdem wir im Mai schon das Erscheinen von Manja Präkels‘ Essay „Gegen den Wind atmen“ (Merve Verlag) vermelden durften, legen wir euch nun das nicht weniger fulminante und ausgesprochen hübsche Werk „Extremwetterlagen. Reportagen aus einem neuen Deutschland“ (Verbrecher Verlag) ans Herz. Manja Präkels schreibt darin in Gemeinschaft mit Alexander Leistner, Tina Pruschmann und Barbara Thériault über die fortschreitenden gesellschaftlichen Verwerfungen in Ostdeutschland, den scheinbar unaufhaltsamen Siegeszug der AfD und gesellschaftliche Kipppunkte, die sich in ganz alltäglichen Betrachtungen offenbaren. Dieses aus dem letztjährigen Projekt „Überlandschreiberinnen“ entstandene Buch ist ab sofort lieferbar, in guten Buchhandlungen spätestens ab morgen vorhanden!

Was politisch seit dem letzten Newsletter so los war, könnt ihr – wie immer – Markus Liskes Artikeln für die Jungle World entnehmen. Anlässlich der Verhaftung unbescholtener Zeichner durch Schergen des obersten türkischen Satirekritikers Recep Tayyip Erdoğan, veröffentlichte er dort zum Beispiel unter dem Titel „Erklärte Witzlosigkeit“ eine kurze Geschichte der politischen Karikatur. In seinem Text „Ins Sommerloch gerettet“ zog er zudem eine erste Bilanz der neuen Merz-Regierung, und erinnerte schließlich mit „Der schöne Traum von der Enteignung“ daran, dass es vor vier Jahren in Berlin mal einen erfolgreichen Volksentscheid zur Vergesellschaftung größerer Immobilienbestände gab, dessen finale Aushebelung durch den aktuellen schwarz-roten Senat nun aber offenbar nur noch die Linkspartei interessiert – und auch die nur dann, wenn sie nicht gerade damit zu tun hat, lustige Sommerfeste mit Islamisten zu feiern.

In Feierlaune ist derzeit auch DER SINGENDE TRESEN, aber aus deutlich schönerem Grund: Die Band hat nämlich mal wieder Nachwuchs bekommen und möchte auf diesem Wege den Eltern Thorsten und Claudia sowie natürlich dem kleinen Filippo selbst als nunmehr jüngstem Mitglied unserer TRESEN-Jugendorganisation gratulieren!

Wer von euch zumindest dem Vater persönlich Glückwünsche aussprechen möchte, kriegt dafür noch bei mehreren Konzerten in diesem Jahr Gelegenheit. Hier aber erst mal die demnächst anstehenden …

 

TERMINE

Sa. 30.08. – 19:30 Uhr

„Under Pressure“ – Subkultur im Spannungsfeld rechtsautoritärer Bewegungen

Gespräch mit Manja Präkels, Jens Uthoff und Nil Schumacher

Museum in der Kulturbrauerei
Knaackstraße 97

Berlin-Prenzlauer Berg

 

So. 07.09. – 15:00 Uhr

Lesung unter Apfelbäumen: Gegen den Wind atmen

Manja Präkels liest frische Texte

Streuobstwiese Menz

Gartenweg
Stechlin-Menz

 

Sa. 20.09. – 18:00 Uhr

Manja Präkels liest: Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß

im Rahmen der Ausstellung ToleranzRäume

Kantorhaus

Bernau

 

Fr. 26.09. – 19:30

Festival Literatur JETZT!

Manja Präkels, Alexander Leistner, Tina Pruschmann und Barbara Thériault stellen ihr Buch „Extremwetterlagen“ vor / Moderation: Michael Bittner

Zentralwerk

Risaer Str. 32

Dresden

 

So. 28.09. – 15:00 Uhr

Gegen den Wind atmen

Manja Präkels liest frische Texte

Friedrich-Wolf-Gesellschaft

Alter Kiefernweg 5

Oranienburg

 

Do. 02.10. – 18:00 

Gegen den Wind atmen / mit Musik

Manja Präkels liest frische Texte & musiziert dazu mit TRESEN-Urgestein Benjamin Hiesinger (Kontrabass)

Zum 35. Jahrestag des rechtsextremen Angriffs auf die Kötschauer Mühle

Essenzen-Fabrik
Kastanienallee 6
Zerbst/Anhalt

 

Fr. 03.10. – N.N.

Vorstellung von Manja Präkels als erste „Schriftstellerin im Tor“ auf der Festspielwiese

anschließend Lesung im K13

Tribsees

Vorpommern

 

Zu letzterem Termin gäbe es noch einiges zu erzählen, aber das heben wir uns für den nächsten Newsletter auf. Für heute machen wir Schluss und versuchen lieber, unseren Vermieter davon zu überzeugen, dass es Zeit ist, die Heizung wieder anzustellen.

Euch wünschen wir einen angenehmen Herbst, egal wie irre die Weltnachrichten noch werden, und vor allem: Lasst euch von all dem verblödenden Medienschnickschnack um doofe Filme oder noch doofere Promi-Verpaarungen nicht den Kopf dichtmachen. Wir alle brauchen unseren Verstand noch, denn die Zeitläufte sind derzeit offensichtlich gegen uns!

Eure fröstelnden Weltbetrachter in der

Gedankenmanufaktur WORT & TON